Zusammenfassung: Beyond a Steel Sky erscheint, die Fortsetzung des beliebten Adventure-Klassikers Beneath a Steel Sky. Wir schlüpfen wieder einmal in die Rolle von Robert Foster und erleben eine hübsch erzählte Geschichte rund um eine Kindesentführung, die uns zurück in die Mega-Metropole Union City führt. Ob sich die Fortsetzung lohnt und wie gut das Adventure im Jahr 2020 angekommen ist, klären wir im Test.
Inhaltsverzeichnis
- Kultspiel der 90-er
- Die großen Fußstapfen des Erstlings
- Die Rückkehr nach Union City
- Video-Trailer
- Charaktere voller Liebe und Details
- Aber was ist mit den Rätseln?!
- Die visuelle, auditive und technische Präsentation
- Pflicht für jeden Adventure-Fan
- Meinung & Fazit
Kultspiel der 90-er
Zu den großen Legenden des Adventure-Genres der 90er Jahre zählen natürlich Lucas-Arts-Klassiker wie The Secret of Monkey Island und Day of the Tentacle, die beide meilenweit über die Grenzen des Mediums Videospiele hinaus bekannt und beliebt sind. Doch auch das 1994 veröffentlichte Kultspiel Beneath a Steel Sky reiht sich in diese Spitzenriege ein. Das vier Jahre zuvor von Charles Cecil, Tony Warriner, David Sykes und Noirin Carmody gegründete Entwicklerstudio Revolution Software ist neben der Adventure-Perle maßgeblich für die Baphomets Fluch-Reihe und Lure of the Temptress bekannt.
26 Jahre nach der Veröffentlichung des Erstlings entführt uns Cecil gemeinsam mit Watchmen-Zeichner Dave Gibbons – der auch schon für das Design von Beneath a Steel Sky verantwortlich war – ein weiteres Mal in die eindrucksvolle Mega-Metropole Union City.
Wir lassen es uns natürlich nicht nehmen, euch in diesem Test zu verraten, ob sich die außerordentlich lange Wartezeit auf das Adventure tatsächlich gelohnt hat und wie sich Beyond a Steel Sky im Kontrast zu modernen Ablegern des angestaubten Genres schlägt.
Die großen Fußstapfen des Erstlings
Mitte der 90er-Jahre erschien das Cyberpunk-Point&Click-Abenteuer Beneath a Steel Sky für PC und Amiga. Das Adventure erzählt die Geschichte des charismatischen Ödländers Robert Foster, der den sogenannten Gap, eine lebensarme Wüste im dystopischen Australien, verlässt. In Union City will er die alles kontrollierende künstliche Intelligenz LINC gemeinsam mit seinem Partner Joey in ihre Schranken zu weisen. Joey ist ein von Robert gebauter Roboter, der als Sidekick und bester Freund des Protagonisten fungiert.
Die Stadt wird durch eine Kuppel von den Gefahren des Ödlands und der Luftverschmutzung geschützt und bildet so einen starken Kontrast zum Gap und Robert selbst. Nach dem Sieg über LINC übergibt Robert Union City in die Hände von Joey, der die Stadt in einen besseren Ort verwandeln soll.
Die Handlung von Beyond a Steel Sky setzt zehn Jahre später an und möchte so Fans der alten Tage und Neulinge zugleich abholen. Der vom Team gewählte Zeitsprung eröffnet nämlich viele neue Handlungsmöglichkeiten für das altbekannte Universum, außerdem gibt er dem Finale von Beneath a Steel Sky genug Raum, sich ordentlich zu entfalten. Doch wie hat sich das Australien der Zukunft verändert? Welche Ereignisse zwingen Robert aus seinem wohlverdienten Ruhestand? Und wie sinnvoll wird der Vorgänger durch das 26 Jahre später veröffentlichte Sequel fortgeführt?
Die Rückkehr nach Union City
Die Geschichte von Beyond a Steel Sky wird mithilfe einer enorm hübschen Comic-Präsentation erzählt. Viele Story-Passagen werden uns durch ansprechende Panels und schöne Zeichnungen nähergebracht. So auch das Intro des Adventures, in dem wir erfahren, dass der kleine Junge Milo von einem sogenannten "Stalker" vor den Augen von Robert entführt wird. Bei den angsteinflößenden Maschinen handelt es sich um riesige vierbeinige Roboter. Natürlich will Robert den Jungen retten und folgt so der Spur des Stalkers, die ihn schrittweise (zurück) nach Union City führt. Doch bevor Robert seine Detektivarbeit in Union City beginnen kann, muss er erst einmal einen Weg in die von Industriekomplexen geprägte Die ersten Spielstunden verbringen wir noch vor den riesigen Mauern von Union City. Denn dahinter erwartet uns nicht nur unser alter Kumpel Joey, sondern auch die Antwort auf die Entführung des Jungen Milo.
In den ersten Spielstunden bieten wir also Genre-typisch unsere Dienste bei diversen NPCs an und führen eine Vielzahl von Gesprächen, um uns schrittweise Zutritt nach Union City zu verschaffen. Außerdem greifen wir auf die ID eines gewissen Graham Grundy zurück, dessen Leiche wir in der Wüste gefunden haben. Für unsere Vorschau im Mai durften wir diese Passage bereits spielen, die Frage blieb also, wie umfangreich sich das Abenteuer innerhalb der Stadtmauern weiterentwickeln würde.
In der Stadt angekommen, entfalten sich die vielen Stärken von Beyond a Steel Sky, so zum Beispiel Union City selbst und das System, wie die Stadt funktioniert. Die durch die Bank toll geschriebenen Einwohner werden von diversen Ministerien im Auge behalten, die dafür zuständig sind, die Zufriedenheit, den Glückslevel oder die Ambitionen jedes Einzelnen auf einem angemessenen Niveau zu halten. Belohnt wird man durch sogenannte Qdos, die das Ansehen in der Gesellschaft maßgeblich widerspiegeln. Wer sich zum Beispiel nicht an den monatlichen Wahlen für die Geschmacksrichtung des an jeder Ecke auffindbaren Getränks Spankles beteiligt, der muss felsenfest damit rechnen, dass sein Qdos-Level sinkt. Richtig gelesen: Ein angesehener Bürger besitzt ein Qdos-Level von "A" oder "B", je schlechter die Benotung, desto geringer die gesellschaftliche Reputation.
Dieses Prinzip findet sich auch in den Bezirken von Union City wieder. Die Elite der Stadt bewohnt die unteren Wohnsiedlungen und nicht etwa, wie manche vermuten würden, die Skyline von Union City. Im höchsten Bereich der Stadt finden sich leerstehende Industriegebäude und gefährliche Zonen, die gemieden werden sollen. Das liegt unter anderem an der Luftverschmutzung. Außerdem gibt es eine Aufwertung des LINC-Systems aus Beneath a Steel Sky: MINOS. Wie auch die alte Version läuft alles in der Stadt über MINOS. Themen wie die Kontrolle durch technologischen Fortschritt stehen also wieder im Mittelpunkt.
Revolution Software skizziert mit Beyond a Steel Sky ein spannendes Gesellschaftsbild, welches die Motivationskurve beim Erkunden der Stadt und den Gesprächen mit den vielen Einwohnern kontinuierlich auf hohem Niveau hält. Zusätzlich kann die Geschichte rund um die Kindesentführung und die damit verbundenen dunklen Geheimnisse der Stadt überzeugen. Lediglich das Finale hinterlässt einen leichten Beigeschmack, fast so, als wären dem Team rund um Cecil und Gibbons die Fäden zum Ende hin etwas aus den Fingern gerutscht. Die Handlung macht viel Spaß und fühlt sich rund an, eine imposante Auflösung und große Story-Wendungen sollte man aber nicht erwarten. Dafür kann man sich während der circa acht- bis zehnstündigen Spielerfahrung aber auf eine Vielzahl an toll geschriebenen Charakteren mit jeder Menge Sympathie und Witz freuen.
Video-Trailer
Charaktere voller Liebe und Details
Typisch für das Genre liegt ein starker Fokus natürlich auf den unterschiedlichen Charakteren. Wenig überraschend spielt Joey als unser bester Freund und Sidekick wieder eine wichtige Rolle. Der freche Roboter mausert sich in Windeseile zum absoluten Liebling des Abenteuers. Joey ist enorm clever geschrieben, hat jederzeit einen guten Witz auf den Metall-Lippen und – wie zu erwarten – ist er neben Robert der relevanteste Charakter in Beyond a Steel Sky.
Doch auch abseits des Duos finden sich viele spannende Persönlichkeiten. Robert übernimmt, wie zu Beginn schon angedeutet, die Identität des Bürgers Graham Grundy. Der ist zwar tot, kann dadurch aber gekonnt von Robert genutzt werden, um sich als eine etablierte Persönlichkeit in Union City zu positionieren. Grundys Ehefrau Songbird weiß natürlich, dass wir nicht ihr verschollener Ehemann sind. Durch das strenge Qdos-System und einige Gründe, die wir hier nicht näher beleuchten möchten, entwickelt sich hier aber eine interessante Beziehung, die uns weitere Details zu Graham und dem über allem schwebenden Komplott in den Mauern von Union City liefert. Auch erwähnenswert ist der Regierungsbeauftragte Mentor Alonso, der perfekt die allgegenwärtige Gefahr verkörpert, mit unserer Identitäts-Intrige aufzufliegen. Unsere Gespräche und Entscheidungen beeinflussen die Handlung nur sehr gering, der Fokus liegt aber sowieso auf der Flexibilität der Rätsel und der enorm charmanten Spielwelt.
Aber was ist mit den Rätseln?!
Die Rätsel sind natürlich neben der Welt und den in ihr lebenden Charakteren das pochende Herzstück eines Adventures. Beyond a Steel Sky macht da eigentlich eine gute Figur und setzt zum Großteil auf klassische Adventure-Kost. Doch es gibt auch Neues! So zum Beispiel flexible Lösungswege beim Knobeln. Rätsel können also auf unterschiedliche Arten geknackt werden. Sehr angenehm dabei ist, dass die Herausforderungen nicht einfacher werden. Auch wenn die unterschiedlichen Lösungswege oft nur minimalistischer Natur sind, verstärkt dieser Ansatz dennoch enorm die Dynamik in unserer ganz eigenen Spielerfahrung.
Nach so viel Lob müssen wir (leider) auch auf einige kleine Negativ-Aspekte eingehen. Meist klappen die verschiedenen Herangehensweisen sehr gut, doch in gewissen Spielmomenten können sie auch zum Genickbruch werden. Halten wir uns zu wenig an die eigentlich angedachten Vorgaben Revolution Softwares, so kann unser Spielverlauf auch mal in einer Sackgasse enden. Sehr früh im Abenteuer sollen wir zum Beispiel unseren U-Chip erneuern. Stattdessen entscheiden wir uns dazu, die Piazza auf Herz und Nieren zu prüfen, landen dann schnell in einem Gebäudekomplex, der Teil des weiteren Handlungsverlaufs ist. Das Problem ist nur, wir haben unseren U-Chip noch nicht erneuert. Nun sind wir aber in dem Gebäude gefangen und können weder vor noch zurück. So etwas ist uns im kompletten Spielverlauf zwar "nur" zwei Mal passiert, ärgerlich ist es trotzdem. Häufiges Speichern legen wir euch also ans Herz.
Eine weitere Neuerung ist das Universal-Hacking-Tool, mit dem wir diverse Elektronikgeräte hacken und umschalten können. Im Rahmen kleiner Mini-Games lassen sich so Schaltkreise miteinander vertauschen. Eine Tür mit Hand-Scanner verweigert uns den Eintritt? Skandalös, aber kein sonderlich großes Problem. Wir hacken uns einfach via Knopfdruck ganz frech in den Mechanismus der Tür und verschieben die Felder so, dass fortan nur noch Menschen eintreten dürfen, die KEINE Erlaubnis besitzen. Haha, wäre das echte Leben nur so einfach … Das Hacking-Tool fügt sich gut in das Gesamtkonzept des Adventures ein und verleiht ihm einen angenehm frischen Anstrich. Das Knobeln macht also viel Spaß, und auch der Schwierigkeitsgrad ist akzeptabel. Das Abenteuer ist keinesfalls zu leicht, so wie es bei den vielen Telltale-Spielen der Fall ist, ein knallhartes Adventure sollte man sich aber auch nicht erwarten. Und wenn man mal nicht weiter weiß, dann kann man ganz einfach im Menü nach einem kleinen Hinweis fragen.
Die visuelle, auditive und technische Präsentation
Um sich für das Jahr 2020 zu rüsten, setzt Beyond a Steel Sky komplett auf 3D und einen sehr ansprechenden Cel-Shading-Look. Dem gelingt es, die farbenfrohe und überglückliche Stimmung von Union City perfekt einzufangen. Die vielen Hologramm-Werbungen am Piazza, die düsteren und dreckigen Umgebungen in den abgeschiedeneren Teilen der Stadt; jeder Bereich in Beyond a Steel Sky fühlt sich an wie eine interaktive Graphic Novel der Sonderklasse. Die Szenerien erinnert stark an eine Mixtur aus Mad Max und Cyberpunk. Popkulturelle Anspielungen, Referenzen auf alte Revolution-Titel und eine ausgeprägte Liebe zum Detail lassen sich in vielen Szenen erhaschen. In Kombination mit der bereits erwähnten Comic-Präsentation ergibt sich ein sehr ansprechender und stilistisch einzigartiger Look, der uns glaubhaft in die dystopische Zukunftsvision von Australien entführt.
Dave Gibbons hat sich weitaus mehr visuell ausgetobt, als das noch beim Vorgänger 1994 der Fall war. Auch ein überraschend dicker Pluspunkt ist die 3D-Kamera. Durch das Apartment von Graham zu stöbern, ab und an aus den Fenstern zu blicken und sich von der eindrucksvollen Kulisse der Metropole erschlagen zu lassen, hat einen ganz besonderen Charme.
Die Musik galt bei Beneath a Steel Sky noch als Kritikpunkt, für das neue Abenteuer setzt das Team auf den Komponisten Alistar Kerley, der mit Die Kulissen können durch die Bank überzeugen, ganz besonders die festliche Plattform der 'Ambitionsgala'. Die Kulissen können durch die Bank überzeugen, ganz besonders die festliche Plattform der "Ambitionsgala". Quelle: PC Games wundervollen Klängen stets die richtige Gefühlslage aufbaut. Die Opening Credits oder der Soundtrack im städtischen Museum treiben einem enorm emotionale und motivierende Abenteuer-Melodien in die Ohren, die stark an den Epos Star Wars erinnern. Darüber hinaus finden sich natürlich auch Cyberpunk-Elemente in der Musik – musikalisch also sehr gelungen!
Auch die Vertonung ist auf einem sehr hohen Niveau. Zwar muss man auf Stimmen aus dem Original verzichten, doch durch die Bank konnten uns so gut wie jeder Sprecher und jede Sprecherin überzeugen. Eine deutsche Vertonung soll aufgrund von Corona erst im August als Update folgen. Technisch kann Beyond a Steel Sky zwar überzeugen, jedoch muss man mit einigen Grafikfehlern zurechtkommen. Mal fängt die Kamera die eigentliche Situation nicht richtig ein, an anderer Stelle wirken die Animationen etwas grob und holprig. Das sind jedoch nur Kleinigkeiten, die uns bei so viel Atmosphäre nur wenig gestört haben.
Pflicht für jeden Adventure-Fan
Hat sich die 26 Jahre lange Wartezeit auf einen neuen Teil rund um Robert, Joey und Union City also gelohnt? Definitiv! Das Rätsel-Design ist zwar nicht auf dem Niveau anderer Größen im Genre, doch Neuerungen wie das Universal-Hacking-Tool und die 3D-Kamera wandeln Beyond a Steel Sky in eine einzigartige Spielerfahrung. Der Technik hätte etwas mehr Feinschliff gutgetan, doch der Cel-Shading-Look hilft stark dabei, über einige Makeln hinwegsehen zu können.
Das klare Glanzstück des Teams sind aber die schön erzählte Geschichte und – ganz besonders – die spaßigen und charmanten Charaktere, außerdem die Mega-Metropole Union City als Schauplatz. Selbst nach mehreren Tagen Abstand bleiben viele Spielmomente im Kopf, allen voran Joey, einer der spaßigsten Sidekicks der letzten Jahre. Die Präzision, mit der Revolution Software die 1994 erschaffene Spielwelt in die Neuzeit transportiert hat, ist lobenswert. Wer ein sympathisches Adventure der alten Schule mit vielen modernen Elementen gutheißt, der kommt um Beyond a Steel Sky nicht herum.
Beyond a Steel Sky ist seit dem 16. Juli 2020 für den PC erhältlich. Umsetzungen für PS4, Xbox One und Nintendo Switch sollen im Laufe des Jahres folgen.
Meinung & Fazit
Wow! Der Begriff Beneath a Steel Sky war etwas aus der Mode gekommen, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Doch nach dem ersten Test muss man sagen, dass es schon lange kein Video-Sppiel mehr gab, das unser Herz so schnell erobert hat. Mit Beyond a Steel Sky hat das Team rund um Cecil und Gibbons nun erfolgreich die Faszination von Titeln wie Monkey Island, Day of the Tentacle und neueren Spielen wie Deponia toll in ein modernes Gewand gehüllt. Besonders der Charme und Witz in jedem Dialog und jedem Spielmoment haben es uns angetan. Wir hoffen wirklich, man muss nicht weitere 26 Jahre auf ein neues Abenteuer in dieser Welt warten – das wäre nämlich eine Schande.